Kunst &
Gesellschaft

Eine Frage der Haltung – oder: Ausstellen ist politisch

Was können Kunstwerke mit uns heute machen? Welche Rolle spielt (Des-)Orientierung oder

bewusste Nicht-Orientierung an veralteten Ansichten der Kunstgeschichte?

Bei Ausstellungen und auch in der Wissenschaft geht mir um das

Wie für das Was – für unsere Gesellschaft.  

 

Für Kunst & Gesellschaft heißt das: Verlass dich nicht mehr auf altbekannte Narrationen,

deren machtvoll partizipierende Menschen, die keinen Platz machen und Bedeutungen, die sich daran fest verhaftet zu haben scheinen.

Für Ausstellungen heißt das: Mach weniger Ausstellungen! Gib das Geld anders aus.

Versuche nachhaltig für Verbesserungen zu sorgen!

 

Verweigere dich der unterdrückenden Struktur! Such dir Verbündete! 

 

 

„Es bedarf mehr Zeit, sich mit einzelnen und gemeinsamen Denkweisen von Künstler_innen, gesellschaftspolitischen Bedingungen und inhaltlichen Implikationen auseinanderzusetzen. Sich inspirieren und begeistern zu lassen und kritische Fragen zu stellen. Nach Alternativen zu suchen, nach den unsichtbar gemachten Erzählungen, nach den unbekannten Künstler_ innen, nach den Unsicherheiten, Einflüssen, Auswirkungen, Leerstellen der Kunst zu suchen. Such nicht allein… Sucht zusammen im Team. Suche auch dafür neue Menschen und verbinde dich mit ihnen. Besprecht, was ihr erwartet, euch erhofft und was ihr erreichen wollt. Bezieht damit auch unterschiedliche Wirklichkeiten mit ein. Dafür braucht man Zeit. Macht weniger Ausstellungen!

Um ein Ausstellungskonzept zu entwickeln, braucht es Zeit. Es macht Mühe, es braucht Mut und kann im Ergebnis und während des Prozesses bereits scheitern – und doch geht es nicht anders. Das bedeutet, es bedarf mehr Zeit, mehr Geld und auch den Wunsch zur Veränderung. Weniger vermeintliche Genieverehrung oder Einzelkämpfertum. Weniger Obristen* oder Szeemänner*,  weniger Picassos*, mehr Diversität, Gesellschaft, Politik und Zusammenarbeit. »We have to find new – parodic, playful, or otherwise innovative – ways of inhabiting power, thereby gradually altering the constitutive terms of power«  (M. Ruti 2017). Einem »path so twistet«, auf dem es auch eine Verunsicherung des Gesehenen bis hin zu einem »getting lost« (S. Ahmed 2007, J. Halberstam 2014). Über welche Künstler_in schreibe ich (nicht), was, mit welcher Absicht? Sind meine Intention, Fragestellung und Perspektive sichtbar in meinen Ergebnissen? Welche anderen Sichtweisen bestehen? In welche Rahmung ist meine Forschung eingebunden und welche Rolle spielt es? Mit welchen Quellen und Methoden arbeite ich, wie und warum? Wie finde ich heraus, welche Bedeutung Kunstwerke hatten, auf welche Weisen sie Ausdruck der Künstler_innen waren und zugleich einer bestimmten Zeit? Wie lerne ich neue Sichtweisen kennen? Mit und in welchem Team forsche ich und entwickle die Ausstellungen – konkret und generell in welchem Umfeld? Wer fehlt? Warum? Wen übergehen wir warum? Wie finden wir heraus, wen wir übersehen? Und wie finden wir sie dann? Wo bekommen wir Informationen her? Wo wollen wir sie herbekommen und mit ihnen umgehen? Wie zeigen wir kunstwissenschaftliche Forschungen, ohne dass sie als absolut und endgültig angesehen werden? Wie können wir politische Ausstellungen machen, ohne die Kunst dafür zu benutzen? Wie können die Betrachter_innen sich und die Kunstwerke im Raum in den Prozess der Bedeutungsproduktion bewusst aktiv einfügen?

Wie ermögliche ich das? Wie mache ich das selbst? Wie kann ich mich den Realitäten annähern, ihnen entziehen, mich verhalten? Nichts festhalten und doch alles wollen? Wie können Menschen durch Ausstellungen ihre Verwobenheit zur Welt besser spüren? Wie werden wir und sie politisch aktiv? Wie können Dinge zugleich einfach nur sein? Und wann beginnt alles nackt zu tanzen?

 

Hier gibt’s nichts zu verstehen, aber viel, dessen man sich bedienen kann. (…)

Ein Buch, eine Ausstellung, eine Website muss mit etwas anderem ›Maschine machen‹, es muss ein kleines Werkzeug für ein Außen sein. Keine Repräsentation der Welt, auch keine Welt als Bedeutungsstruktur.

„Das Buch ist kein Wurzelbaum, sondern Teil eines Rhizoms.“ (Deleuze/Guattari 1977)”

 

(B. Miersch: Queer Curating. Zum Moment kuratorischer Störung 2022, S. 29)

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